Die Sonne brennt, der Asphalt glüht, Picknick im Stadtpark, Zeit für ein kühles Getränk, mit Stil einen coolen Cocktail geniessen. An dieser Stelle wollen wir Sie nicht mit Cocktail Rezepten langweilen, davon sind Zeitungen und Internetforen in dieser Jahreszeit schon voll genug, vielmehr wenden wir uns der spannenden Frage zu: wie kam der Mensch zum Alkoholgenuss, eine kleine Geschichte der coolen Cocktails und berühmten Barkeeper – von arabischen Alchemisten bis zu den modernen Mixologen des 21. Jahrhunderts.
Aqua Vitae, Wasser des Lebens
Zwar experimentierten arabische Alchemisten schon ca. 500 v.Chr. mit Ölen und Substanzen, die in einem der Distillation ähnlichen Verfahren (Alambik) eine alkoholische Substanz erzeugten, interessant wurde es allerdings erst als die Mauren das Verfahren der Destillation mit der Eroberungen der iberischen Halbinsel nach Europa brachten. Arnaud de Villeneuve destillierte im 12. Jahrhundert in einem Alambik eine Flüssigkeit, die er nutzte, um Wein zu verstärken. Er nannte es Aqua Vitae, Wasser des Lebens.
Der Zeitgenosse Ramon Llull prägte den Begriff Alkohol und bezeichnete ihn als Getränk, das die Kräfte der Altersschwachen belebt.
Fast zeitgleich, 1292 – entdeckte Marco Polo auf der Heimreise von Peking nach Italien im indonesischen Raum einen Arrak aus Palmzuckersaft.
Wie der Schnaps nach Moskau kam
Genueser Abgesandte, die nach Moskau reisten, präsentierten dem Großfürsten Iwanowitsch Donskoi Kostproben des Aqua Vitae und eine Flasche Arrak. Dieser war – so vermerken es Aufzeichnungen – entzückt und beauftragte die Klöster, eine Variante namens Brotwein auf Getreidebasis herzustellen. Der Grundstein für die Vodka Produktion war gelegt.
Der polnische Apotheker Stefan Flimirz benutzt in einem seiner Bücher über Heilmittel zum ersten Mal das Wort “Vodka” und beschreibt die Zubereitung von über 70 Heilmitteln auf Vodkabasis.
Bis zum 17. Jahrhundert blieb die Zeit relativ ereignislos, sieht man davon ab, dass ein holländischer Chemiker einen Wacholderschnaps entwickelte. Die Soldaten der britischen Truppen, die im holländischen Befreiungskrieg die Spanier bekämpften, bekamen den Wacholderschnaps, genannt Genova (also der spätere Genever) bei Lumbago (Rückenschmerzen) verabreicht, und gewöhnten sich schnell daran. Rückenschmerzen wurden damals beliebt.
Gin, die Seele der heutigen Cocktail Kultur
Im Dreißigjährigen Krieg tranken sich die britischen Soldaten mit Genever Mut an. Zurück in der Heimat wollten sie darauf nicht verzichten und brachten die Liebe zum Gin genannten Getränk nach England. Von hier trat der Gin und mit ihm die Kultur des Mixens seine weltweite Erfolgsstory an. Als die Pilgerväter in Plymouth an Bord der Mayflower nach Amerika aufbrachen, war jede Menge Gin im Gepäck. In Amerika und auf den karibischen Inseln entstanden daraufhin zahlreiche weitere Spirituosen, die die Rohstoffe der dortigen Umgebung nutzten, unter anderem der Rum. William Penn, der spätere Gründer von Pennsylvania, befahl, dass der Flotte der heimische Rum als Tagesration zugeteilt wurde als die Bier und Wein Vorräte ausgingen.
In Boston (Neuengland) errichten britische Kolonisten die erste Rum-Brennerei, holländische Kolonisten folgten ihrem Beispiel in Neu Amsterdam, dem heutigen New York. Rum wurde offizieller Bestandteil der Tagesrationen der Royal Navy.
Kommt schnell, ich trinke Sterne!
Diesen Ruf stieß im Jahre 1693 der französische Mönch namens Dom Perignon aus, nachdem es ihm gelungen war einen Schaumwein herzustellen. Der Champagner war geboren.
1730 beschließt die britische Royal Navy eine wichtige Änderung im Hinblick auf die Ernährung ihrer Soldaten: die Tagesration Bier von 4,5 Litern wird ersetzt durch 300ml 70 – 85%igen Rum. Zum Vergleich: das entspricht etwa 600 ml Rum mit 40% Alkohol.
Ende des 18.Jahrhunderts – die Destillierverfahren waren inzwischen sehr viel feiner geworden – kam die Mode des Mixens auf. Dazu ein Zitat aus dem Cocktailian: “Catherine und Thomas Hustler führen während der amerikanischen Revolution eine Taverne in Storm´s Bridge New York und erfinden dem Schriftsteller James Fenimore Cooper zufolge den Cocktail”.
In der Zeit entstanden auf der ganzen Welt auch die bis heute berühmten Namen und Marken. Jacob Beam erbaut Brennereien in Kentucky, John Jameson gründet die Bow Street Destillery in Dublin, Irland. Antonio Benedetto Carpano stellt in Turin in Italien einen Wermut her und bringt ihn in den Verkauf.
Ein bedeutendes Ereignis nicht alkoholischer Art war, dass Jean-Jacob Schweppe seine Sprudelfabrik nach London verlegte. Ein kluger Schachzug, denn Gin und Schweppes Tonic sind heute unzertrennbar.
George Washington geht unter die Whiskeybrenner, als er ein Dekret erläßt, das die Getreidemühlen um eine Whiskeyproduktion zu erweitern seien. Sein Nachfolger Thomas Jefferson hebt die Whiskeysteuer auf.
1806 wird der Begriff Cocktail zum ersten Mal in einer Zeitung in Hudson News York erwähnt und als Getränk bezeichnet, dass stark und kühn macht und zugleich den Kopf benebelt.
Anfang des 19. Jahrhunderts verabschiedet der US-Bundesstaat Tennessee das Prohibitionsgesetz, das den Verkauf und Ausschank alkoholische Getränkle in Bars und Geschäfte unter Strafe stellt.
Die Theke – der Rangierbahnhof der menschlichen Seele
In der zweiten Hälften des 19. Jahrhunderts finden Ereignisse statt, die für die heutige Vielfalt der Bargetränke – sowohl alkoholischer als auch nicht alkoholischer – von Bedeutung sind.
Jean Jacob Schweppe lässt Indian Tonic Water patentieren. James Pimm, Besitzer der legendären Oyster Bar in Manhattan, bringt den Pimm´s No.1 Cup in den Handel. Gaspare Campari produziert Campari in Mailand und vermarktet Campari Bitter – was sonst. Gleichzeitig erfindet er den Torino-Milano, ein Mix aus Campari und Wermouth. Arsenjewitsch Smirnow gründet die Smirnow (heute Smirnoff) Brennerei in Russland.
Die britischen Truppen trinken täglich mit Chinin versetztes Wasser, gut gemischt mit Gin zur Malariaprophylaxe. Bacardi kauft die John Nunes Destillerie in Santiago de Cuba.
Dann die bahnbrechende, weltverändernde Erfindung des John Pemberton in Atlanta, Georgia: 1887 wurde die bis heute geheim gehaltene Rezeptur der Coca-Cola patentiert.
Cubanische Freiheitskämpfer trinken Canchancara, den Vater des im 20. Jahrhundert beliebten Daiquiri.
Auf dem Herald Square in New York zeigt Dewar´s den ersten Werbefilm für eine Spirituose.
Der Cuba Libre wird in Havanna erfunden.
Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Kultur des Cocktail-Mixens zur Kunst und Profession des Bartending: Harry Craddock, Urvater aller Bartender, tritt eine Stelle im Knickerbocker Hotel in New York an und gründet die Manhattan Bartender School.
In den 30er Jahren wird in Amerika die Prohibition aufgehoben und es beginnt ein wahrer Boom an Kreationen und Zutaten. Aromen und Gewürze werden feiner aufeinander abgestimmt, was in der Kunst des Food-Pairing geradezu einen wissenschaftlichen Höhepunkt findet.
Nach dem zweiten Weltkrieg setzt eine weitere Welle der Cocktail Kultur ein. Man hatte Nachholbedarf an Luxus und wollte das Leben geniessen. In der Zeit entstanden Cocktails, die bis heute aus keiner Bar wegzudenken sind, wie Irish Coffee, Rusty Nail, Mai Tai, Pina Colada, der berühmte Bellini wurde in Harry´s Bar in Venedig von Giuseppe Cipriani erfunden und die Bloody Mary erstmalig mit einer Selleriestange garniert.
Die Bar Werkzeuge, die Vermarktung der Getränke und die gastronomischen Konzepte wurde immer professioneller. In London eröffnet Oliver Peyton das Gastronomie-Konzept Atlantic Bar & Grill, bis heute ein Vorbild der Internationalen Bar-Industrie. In Deutschland eröffnet Charles Schumann eine Bar in klassischem Stil, sinnigerweise im Campari-Haus an der Maximilianstrasse in München. Das passte und wurde schnell zum Treffpunkt der Schickeria.
Anfang des 21. Jahrhunderts vernetzen sich die an der Kunst des Mixens Interessierten immer enger und es findet ein reger internationaler Austausch statt, was die Vielfalt geradezu explodieren lässt. Viele exotische Zutaten finden den Weg in Cocktail Klassiker. Eine Cocktail Renaissance erfasst die Metropolen auf dem Planeten, was leider auch die Fastfood Industrie und Ketten auf den Plan ruft. Geiz ist geil wuchert auch hier und treibt sein Unwesen in Form von verzuckerten Drinks, die jeglicher Kenntnis von der Harmonie der Aromen entbehren. Um so mehr ist es einer wachsenden Zahl von Bartendern hoch anzurechnen, dass sie die Kultur des Bartending pflegen und weiterentwickeln.
Klassiker des legendären Harry Craddock
Craddock´s Atty
5 cl Gin (Gin mit aromatischer starker Wacholdernote wählen, z.B. Tanqueray)
2 cl dry white Martini
½ Teelöffel Absinthe
½ Teelöffel Crème de Violette
Gin, Martini, Absinthe, Crème de Violett in ein Glas mit Eiswürfeln, einige Mle umrühren und in ein Martini Glas abseihen, mit Lemon Twist garnieren.
Wer sich weiter über die Kultur und Magie des Cocktail-Mixens und Bartendings informieren möchte, dem empfehle ich Harry Craddock´s The Savoy Cocktail Book.